Privates

Der Bauer und das Königreich

Ein Bauer lebte in einfachen Verhältnissen, doch zufrieden, im Königreich.

Obgleich er Monat für Monat mehr denn die Hälfte seiner Einkünfte an das Reich entrichten musste, tat er dies beinahe willig – war es doch ein soziales Königreich, in dem er lebte.

Wohl sah er viele andere Leute, die sich jener Pflicht entzogen, doch hielt er sich stets an das, was das Reich von ihm forderte.

Doch eines Tages, nach über dreißig Jahren unermüdlicher Arbeit, ereilte ihn zum ersten Mal Krankheit.

So nahm er in seiner Not das in Anspruch, was das Reich selbst für solche Fälle geschaffen hatte – eine Entgeltfortzahlung, wie sie genannt wurde.

Diese Zuwendung war frei von jenen Abgaben, die er sonst dem Königreich zu leisten pflegte. Und also geschah es, dass er im darauffolgenden Jahr dem Reich mehr denn tausend Taler schuldig blieb.

Wieder genesen und auf den Beinen, zahlte er diese Schuld alsbald und ohne Murren.

Doch das Reich schien wenig beeindruckt.

Wie konnte es sein, dass ein treuer Untertan auch nur für kurze Zeit in der Schuld des Reiches stünde? Dass er nie zuvor säumig gewesen, schien ohne Belang.

Kaum hatte er sich wirtschaftlich erholt, so erhielt er ein Schreiben aus der Kämmerei.

Man fordere nun von ihm allein in diesem Jahre eine Vorauszahlung von 1395 Talern. Und im kommenden Jahr, so könnte er es erneut wagen, in Rückstand zu geraten, werden weitere 1348 Taler fällig. Man wolle vermeiden, dass das arme Königreich bis zur nächsten Kammereierklärung mit leeren Händen da stehe.

Da wurde der Bauer nachdenklich.

Er fragte sich, ob es überhaupt noch Sinn habe, weiterhin auf rechtschaffene Weise für das Königreich zu wirken.

Tagtäglich sah er seine Nachbarn, die in der Hofstatt verweilten, die sich nicht mühten, die in ihren Ställen blieben und dennoch ihr Auskommen hatten – auf Kosten des Reiches.

Manche verdienten sich gelegentlich im Verborgenen, nahmen kleine Dienste an, ohne dass die Kämmerei es scherte.

Doch ein solcher Mann war der Bauer nicht.

Er tat, was recht war, und setzte seine Arbeit fort, wie jeden Tag.

Dennoch griff er zur Feder und schrieb an die Kämmerei.

Er bat darum, die übermäßige Vorauszahlung zu mindern oder gar auszusetzen, da doch ersichtlich sei, dass er längst wieder seinen Dienst aufgenommen habe.

Was ihm wohl geantwortet wird?

Heiko

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Heiko

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